Frauen zeigen Gesicht
Die Idee zu dem Projekt „Frauen zeigen Gesicht“ ist schon viele Jahre alt. Sie fußt auf der Überzeugung, dass ein Portrait viel mehr sein kann als die Abbildung eines Antlitzes, im Idealfall nämlich die Offenbarung des Inneren, vielleicht gar der Seele nach außen.
In einer Zeit, in der Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen noch immer viel zu selten sichtbar sind, ist es das Ziel des Projektes, mit Hilfe überlebensgroßer Portraits Frauen schlicht unübersehbar zu machen und ihre allgegenwärtige Präsenz ins öffentliche Bewusstsein zu heben.
Mit einem ergänzenden handschriftlichen Statement (eine Botschaft, ein Wunsch, eine Vision) wird den Portraitierten zugleich eine Stimme gegeben, sie melden sich zu Wort. Sie zeigen Gesicht, im buchstäblichen und übertragenen Sinn.
Ich bin sehr glücklich darüber, dass mir im Verlauf der vergangenen Monate verschiedentlich die Möglichkeit geboten wurde, mit diesem Projekt in die Öffentlichkeit zu treten. Einen Überblick über die einzelnen Veranstaltungen mag die folgende kleine Dokumentation geben.
Go for Gender Justice
Frauen zeigen Gesicht - auch anlässlich der am 12.6. stattfindenden bundesweiten Pilgerinitiative „Go for Gender Justice“ für Geschlechtergerechtigkeit auf der vom Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen unter dem Motto „Herkunft feiern – Zukunft wandeln“ betreuten Etappe von der Burg Linn zur Innenstadt.
Internationaler Frauentag 2022 | Krefelder Kultursäulen
Rund um den Internationalen Frauentag zeigen - gefördert aus Mitteln des Krefelder Kulturhifefonds 2.0 - vom 1.-10. März auf den 50 kulturell genutzten Litfaßsäulen der Stadt Krefeld (Kultursäulen) elf Krefelder Frauen Gesicht.
Das ursprüngliche Konzept wurde auf Anregung der ausführenden Krefelder Agentur formKultur (Monika Jagla und Katrin Mevißen) in diesem Fall um eine typografische Besonderheit ergänzt: Für die Headline der elf verschiedenen Plakate/Portraits werden elf unterschiedliche, aber ausschließlich von Frauen entwickelte Fonds genutzt, darunter linzensierte, aber auch open-office-Schriften.
11 Frauen 11 Schriften
Faune 2018 Alice Savoie (FR) | Moche 2019 Vivien Gorse (FR) | Boris 2021 Giulia Boggio (GB) | Ovo 2011 Nicole Fally (DE) | Hook 2020 Jo Malinis (PHL) | Gig 2018 Franziska Weitgruber (AUT) | Andada Pro 2020 Carolina Giovagnoli (ARG) | Marguerite GR 2017 Charlotte Rohde (DE) | Tofino 2016 Alanna Munro (CAN) | Kavoon 2013 Viktoriya Grabowska (POL) | Bree Serif 2008 Veronika Burian (CZE)
Weiteres zum Thema Frauen und Schriften findet sich unter "Women in type" oder "Typequality".
Einen Vorab-Bericht zur Aktion "Kultursäulen" brachte die Rheinische Post am 19.2.22:
Zum Internationalen Frauentag am 8. März werden starke Krefelder Frauen auf 50 Litfaßsäulen zu sehen sein. Die Künstlerin Mauga arbeitet zurzeit an dem Projekt: „Frauen werden zu wenig gesehen“, sagt sie.
Sie heißen Maya oder Rosemarie oder Natalya. Sie sind Unternehmerin oder Künstlerin, alleinerziehend oder Familienmutter, sie stehen im Laden oder sitzen in Chefetagen, sind Rentnerin oder Berufsanfängerin. Sie kommen aus allen sozialen Bereichen, aus allen Altersgruppen - aber alle aus Krefeld. Auch wenn nicht alle ihre Wurzeln in Deutschland haben: Sie sind da. Sie sind stark. Sie sind schön.
Doch im Alltag werden sie zu wenig gesehen - immer noch, findet Mauga. Deshalb ist dieses Thema ihr eine Herzensangelegenheit: „Frauen prägen die Gesellschaft. Gerade in den Zeiten der Pandemie fallen sie durchs Raster“, sagt die Künstlerin. Zu Recht würdige man viele Gruppen, die durch die Situation überstark gefordert sind. „Aber Frauen leisten Unglaubliches: Sie betreuen die Kinder, sind Motivatorinnen und von null auf gleich Lehrerinnen, arbeiten im Homeoffice oder müssen alleinerziehend mit knappem Budget durch die Krise kommen.“ Deshalb sei der Internationale Frauentag in diesem Jahr besonders wichtig: Auf 50 Litfaßsäulen im Stadtgebiet werden dann Porträts von elf starken Krefelder Frauen zu sehen sein - in Überlebensgröße gemalt von Mauga. (...)
Es ist ein fließendes Projekt. Das erste Kapitel markierten die großformatigen Fahnen, die Mauga bei der Interkulturellen Woche im vergangenen Spätsommer im Außengelände des Stadtbads Neusser Straße gehisst hatte. In Kooperation mit der Integrationsbeauftragten der Stadt, Tagrid Yousef, lag da der Schwerpunkt auf dem Thema Migration - Frauen, die in einem neuen Land Fuß fassen, ihre Familie in einer neuen Kultur zusammenhalten - und oft nur als Ehepartnerinnen oder Zuwandererinnen wahrgenommen werden. „Frauen sind diejenigen, die den Alltag gestalten. Sie bekommen Familie, Beruf, Eheverpflichtung und eigene Bedürfnisse unter einen Hut“, sagt Mauga im Begleitbuch „Frauen zeigen Gesicht“, das die Stadt zu diesem Projekt herausgegeben hat.
Jede Frau hat eine besondere Lebensgeschichte. Doch um die geht es bei der Litfaßsäulen-Aktion nicht. Mauga zeigt das verbindende Thema: „Wir sind schön. Wir sind stark. Wir sind gemeinsam - auch in unseren Schwächen.“ Deshalb sind alle Plakate schwarz-weiß, alle Porträtierten blicken nach vorne, die Gesichter sind auf die wesentlichen Merkmale reduziert. Das macht sie intensiv.
Keinesfalls beliebig oder austauschbar. Denn Mauga hat jede Frau gebeten, sich während des Malprozesses einen Satz zu überlegen, der für sie persönlich wichtig ist - sei es als Lebensmotto oder aus dem aktuellen Lebensgefühl heraus. Ihre individuelle Botschaft hat jede handschriftlich unter das Porträt gesetzt. Unterzeichnet wurde nur mit dem Vornamen: so individuell und persönlich wie möglich. Und doch nicht personalisiert. Sie bleiben alle Stellvertreterinnen für viele, viele andere Frauen.
Aber durch die kurzen Botschaften bekommen sie eine Stimme. Sie sagen Grundsätzliches, Religiöses oder Persönliches - immer hat es Gewicht. Maya zitiert „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, Natalya schreibt „Jedes Geheimnis findet immer einen Weg, herauszukommen“, Irina nennt sich Architektin der körperlichen Statik, Rosemarie dankt für das Leben mit seinen Begegnungen, eine Frau bezieht sich aufs Grundgesetz („Die Würde des Menschen ist unantastbar“), eine andere ruft ihre Geschlechtsgenossinnen auf: „Frauen für Frauen mit Frauen können etwas bewegen. Lasst uns die Welt noch schöner machen.“
Die Litfaßsäulen werden etwa eine Woche lang rund um den 8. März (ein Dienstag) weibliche Gesichter zeigen - in Kooperation mit der Stadt Krefeld. Der Weltfrauentag wurde am 19. März 1911 zum ersten Mal ausgerufen auf Initiative sozialistischer Organisationen. Damals ging es wesentlich um drei Ziele: Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen. 1921 wurde das Datum endgültig auf den 8. März festgesetzt. Auch 100 Jahre später sind die Ziele noch nicht vollständig umgesetzt.
„Es ist toll, welche Ausmaße das Projekt annimmt“, findet Mauga. Denn zwischen Stadtbad und Litfaßsäulen waren ihre Frauenporträts nicht nur in der Mediothek und in Hüls zu sehen. Es gab auch mehrere Performances, unter anderem in der Cubus Kunsthalle in Duisburg - wo weitere Frauen Modell saßen, um die Sammlung zu erweitern. Auch Bärbel Bas hat sich kurz vor ihrem Amtsantritt als Bundestagspräsidentin in Tusche malen lassen.
Und die Künstlerin sieht sich noch nicht am Ende, sie will die Aktion weiter wachsen lassen - dafür hat sie auch schon jede Menge Ideen.
Petra Diederichs, Rheinische Post, 19.2.22
11 Frauenportraits auf 50 Kultursäulen
A może świat
dojrzał do tego
byśmy stanęły
przed wami
czoła uniosły
ku górze
by spojrzeć
sobie w oczy
jak człowiek
człowiekowi.
Vielleicht ist die Welt
endlich reif dafür,
dass wir vor euch stehen können,
erhobenen Hauptes,
um einander in die Augen zu sehen
von Mensch zu Mensch.
Irena Zeijmo, Lyrikerin
Aktionstag 8. März 2022 in der Cubus-Kunsthalle Duisburg
Inder Cubus Kunsthalle, Duisburg fand anlässlich des Frauentages ein Aktionstag statt, bei dem das ursprüngliche Konzept in der Person der Fotografin Petra Müller um die Komponente der Fotografie erweitert wurde. Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass Bundestagspräsidentin Bärbel Bas uim Kreis der Portraitierten zählt.
Interkulturelle Woche der Stadt Krefeld
Dass in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Integrationszentrum der Stadt Krefeld, namentlich mit dessen Leiterin Frau Dr. Tagrid Yousef und ihrem Team, die Realisierung dieses Projektes im Rahmen der Interkulturellen Woche 2021 möglich wurde, betrachte ich als außerordentlichen Glücksfall.
Hier einige Stimmen aus dem Katalog:
Katalog zur Ausstellung "Frauen zeigen Gesicht" anlässlich der Interkulturellen Woche Krefeld 2021
Einige Eindrücke von der Eröffnung der Interkulturellen Woche durch Oberbürgermeister Frank Meyer.
Auch die seinerzeitige Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, Serap Güler, stand mir Portrait
Die Künstlerin Mauga Houba-Hausherr hat in Deutschland lebende Frauen mit Einwanderungsgeschichte porträtiert, ihnen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, ein Gesicht gegeben. Ihre Tuscheportraits, die auf zwei Meter hohe Fahnen gedruckt wurden, zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass es gleichgültig ist, wo man herkommt, wie man aussieht oder an wen man glaubt.
Serap Güler
Integrationsstaatssekretärin NRW
Krefeld ist als bunte Stadt inzwischen Heimat von vielen starken Frauen ganz unterschiedlicher Herkunft. Im Alltag fallen diese Frauen aufgrund ihrer besonderen Lebensgeschichten
häufig durch das Raster: Sie sind Vorurteilen ausgesetzt, sie werden nicht als Frau, sondern als Zuwanderin oder Ehepartnerin wahrgenommen, sie werden abgestempelt. Dabei sind diese Frauen genauso ambitioniert: Sie sind nicht nur Teil der Gesellschaft, sondern sie prägen diese.
Als die Künstlerin Mauga auf Dr. Tagrid Yousef als Integrationsbeauftragte der Stadt Krefeld zukam und ihr von ihrer langgereiften Idee erzählte, diesen Frauen durch Kunst ein Gesicht zu geben, war die Integrationsbeauftragte direkt Feuer und Flamme. „Frauen sind diejenigen, die den Alltag
gestalten. Sie bekommen Familie, Beruf, Eheverpflichtungen und die eigenen Bedürfnisse unter einen Hut“, schildert sie. „Und dennoch kommen sie in der Gesellschaft oft zu kurz.“ Dabei spielt es keine Rolle, welche Herkunft diese Frauen haben, sie alle vereint, dass sie ein Symbol
der Stärke sind.
Diese Stärke schafft die Künstlerin Mauga über die reduzierte Art ihrer Zeichnungen zu transportieren: Nur mit Tusche zeichnet sie ihre ausdrucksstarken Züge auf eine riesige Leinwand. Die Frauen blicken dabei frontal nach vorne – sie schauen die Beobachtenden direkt an. Mauga verzichtet bewusst auf Farben, die unterschiedlichen Haut-, Haar- oder
Augenfarben bleiben dadurch eine reine Erahnung. „Für mich macht auch das die Frauen zu einer Einheit“, beschreibt die Künstlerin. „Wir sind schön. Wir sind stark. Wir sind gemeinsam – auch in unseren Schwächen.“
Ann-Katrin Roschek, Journalistin
Frauen leben in unserer Gesellschaft immer noch unter dem Radar – vor allem, wenn aufgrund ihres Namens, aufgrund ihrer Art zu reden oder aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale für Außenstehende internationale Einschläge sichtbar werden. Schnell öffnen sich die inneren Schubladen und diese Frauen werden kategorisiert. Fast immer werden sie dabei unterschätzt.
Frauen tragen und halten die Familienkonstellationen zusammen. Sie sind Strippenzieherinnen, sie sind Kümmerer, sie sind Alltagsverwalterinnen und sie sind diejenigen, die durch den Kontakt zu Kindergärten, zu Schulen, zu Institutionen und Freunden Integration lebendig gestalten.
Frauen können aber auch diejenigen sein, die in ihrem Herkunftsland wissenschaftliche Karrieren für ein besseres Leben ihrer Kinder in Deutschland aufgegeben haben, die studiert und gebildet ihre Werte international immer wieder überdenken, die als Protagonistinnen Verantwortung in Unternehmen oder in selbstständiger Tätigkeit tragen.
Egal, ob als Ehefrau, als Mutter, als Freundin, als Ehrenamtliche oder im Beruf: Frauen sind Macherinnen.
Solche Frauen möchten wir in unserem Kunstprojekt „Frauen zeigen Gesicht“ abbilden und durch das Erzählen ihrer Geschichte ihnen die Wertschätzung entgegenbringen, die ihnen gebührt. Alle der hier gezeigten Frauen haben eine Verbindung zu unserer Stadt: Sie leben oder arbeiten in Krefeld. Und alle diese Frauen haben eine internationale Geschichte: Manche sind selbst aus ihren Herkunftsländern geflohen, andere wurden von ihren Eltern nach Krefeld gebracht und wieder andere sind Töchter oder Enkelkinder von Generationen, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind.
(...) wir alle sind es, die diese Gesellschaft mitgestalten.
Dr. Tagrid Yousef
Integrationsbeauftragte Stadt Krefeld
Mediothek Krefeld
Damals ahnte ich noch nicht, dass die Ausstellung anlässlich der Interkulturellen Woche der Anstoß für mehrere weitere Veranstaltungen und Präsentationen wurde. Dazu gehörte gleich zu Anfang eine Art "Werbeaktion", in deren Rahmen ich in der Mediothek Krefeld mit einer Vorab-Auswahl von Arbeiten auf die Interkulturelle Woche hinweisen durfte. Eine Präsentation im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW fand coronabedingt nicht statt, ist aber nun für den Herbst 2022 geplant. Eine kleinere Ausstellung in Krefeld Hüls dagegen konnte im Oktober planmäßig stattfinden.
Beim Symposion Weißenseifen
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas
Symposion Weißenseifen
Dass auch meine Arbeit beim sich daran anschließenden Symposion im Künstlerdorf Weißenseifen um das Malen und Zeichnen großformatiger Portraits der anwesenden Frauen kreiste, wird sicher nicht weiter verwundern.
Kunstvitrine Duisburg
Es folgte eine von Claudia A. Grundei organisierte Performance in der Kunstvitrine im Botanischen Garten Duisburg, bei der mir übrigens auch die spätere Bundestagspräsidentin Bärbel Bas Portrait stand.
Cubus Kunsthalle Duisburg
Infolge dieser Veranstaltung kam die Chefin der Cubus Kunsthalle in Duisburg, Frau Dr. Claudia Schäfer, auf mich zu. Sie ermöglichte mir alsbald nicht nur eine Präsentation in den weitläufigen Räumlichkeiten der Cubus-Kunsthalle, sondern eröffnete mir auch die Chance, im Rahmen mehrerer weiterer Performances vor Ort Duisburger Frauen zu portraitieren und das Projekt weiter bekannt zu machen.
Abschließend noch einige Kataloge, in denen ich eine Reihe der entstandenen Arbeiten nach ihrem Entstehungsort zusammengefasst habe.
Künstlerdorf Weißenseifen
Kommunales Integrationszentrum
Das erste im Jahre 2022 entstandene Bild: "Vielleicht", Tusche auf Leinwand, 140x140 cm. Für den Text danke ich sehr herzlich meiner Freundin
Irena Zejmo.